Corona-Früherkennung mit der Smartwatch

Aus den einstigen Schrittzählern und Fitnesstrackern ist längst der Arzt am Handgelenk geworden. Smartwatches können für einen gesünderen Lebensstil sorgen, die immer perfekter werdende Sensorik kann aber auch als Frühindikator bei bestimmten Krankheiten eingesetzt werden.

Nun wurde in Studien festgestellt, dass Smartwatches auch Hinweise auf eine Corona-Infektion liefern können, und zwar bereits mehrere Tage bevor es zu ersten Symptomen kommt. Subtile Veränderungen in der Herzfrequenzvariabilität (HRV) geben einen ersten Hinweis auf eine mögliche Corona-Infektion.

Das ist ein Ergebnis der sogenannten Warrior Watch Studie, die vom Mount Sinai Health System, einem in New York ansässigen Krankenhausnetzwerk, durchgeführt wurde.

Cardiofitness mit der Apple Watch und iOS 12; Bild: Apple

Zwischen April und September 2020 haben mehrere hundert Mitarbeiter, die eine Apple Watch trugen, täglich über ihren Gesundheitszustand befragt und die von der Apple Watch erfasste HRV ausgewertet. Die Forscher wollten beispielsweise wissen, ob die Probanden Fieber hatten, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, eine laufende Nase, Kurzatmigkeit und Einschränkungen ihres Geruchs- oder Geschmackssinns feststellen konnten.

Dabei zeigte sich, dass schon kleinste Veränderungen der HRV einen Hinweis auf eine Covid-19-Infektion lieferten und das bis zu 7 Tage bevor die Diagnose durch einen Nasenabstrich festgestellt wurde. Zusätzlich zeigte sich, dass sich 7 bis 14 Tage nach der Diagnose das HRV-Muster wieder normalisierte.

Indikator Herzfrequenzvariabilität (HRV)

Als Herzfrequenzvariabilität (HRV) wird der Abstand zwischen zwei Herzschlägen bezeichnet. Diese Zeitspanne verläuft nicht in einem gleichmäßigen Rhythmus, sondern unterliegt Schwankungen. Das ist völlig normal und gibt sogar Hinweise auf einen gesunden Organismus.

Eine hohe HRV zeigt ein stabiles Gleichgewicht an, bei dem der Körper und das Nervensystem dazu in der Lage sind, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Deshalb wird die HRV-Messung auch in immer mehr Smartwatches angewendet, um beispielsweise die Regenerationsfähigkeit oder den Stresslevel zu bestimmen.

Ein niedriger HRV-Wert ist dabei ein Indikator für ein instabiles Gesundheitssystem. Genau diesen Effekt konnten die Wissenschaftler in der Warrior Watch Studie feststellen. Der niedrige HRV-Wert war ein deutliches Indiz für einen belasteten Organismus.

In Verbindung mit weiteren Symptomen konnte dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Corona-Infektion angenommen werden. Nun will man die Ergebnisse operationalisieren, um ein zuverlässiges Prognoseinstrument zu schaffen.

Wir wollen eine Möglichkeit entwickeln, kranke Menschen zu identifizieren, noch bevor sie wissen, dass sie infiziert sind. Das wäre ein Durchbruch in der Behandlung von COVID-19“, sagte Robert P. Hirten, MD, Assistenzprofessor für Medizin an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai und einer der Autoren der Studie.

Früh-Indikator Ruhefrequenz

Ein auf einer Smartwatch basierendes Alarmsystem wollen auch Forscher der Stanford University School of Medicine bereitstellen. Sie haben bereits eine App für Fitbit-Geräte entwickelt, die Nutzer warnt, wenn ihr Körper Anzeichen einer Infektion zeigt, wie zum Beispiel eine erhöhte Herzfrequenz.

Die App basiert auf einem Algorithmus, der Veränderungen in der Ruheherzfrequenz und der Schrittzahl erkennt. Grundlage dafür ist eine Studie mit mehr als 5.000 Teilnehmern, von denen 32 an Covid-19 erkrankt waren. Anders als bei der Warrior Watch Studie, bei der nur Apples Watches zum Einsatz kamen, trugen die Teilnehmer der in Stanford-Studie auch Wearables anderer Hersteller wie Fitbit und Garmin.

Lifestyle photo of Fitbit Sense; Bild: Fitbit

Die Forscher werteten die Smartwatch-Daten retrospektiv aus und konnten klare Muster identifizieren. So konnte die App in 63 % der Fälle Anzeichen einer Covid-19-Erkrankung korrekt feststellen. Für die nicht erkannten Fälle hat Studienautor Michael Snyder, Professor für Genetik an der Stanford University, eine plausible Erklärung.

So könnte beispielsweise bestimmte Medikamente variable Herzfrequenzen verursachen, die es für den Algorithmus schwierig machen, eine stabile Ruheherzfrequenz zu erkennen. Auf der anderen Seite können beispielsweise längere Flugreisen oder Menstruationszyklen einen falschen Alarm auslösen.

Snyder und sein Team sind nun dabei, die Messgenauigkeit der App zu verbessern und deren Nutzung für die User zu erleichtern. Gelbe und rote Warnhinweise sollen auf eine mögliche Infektion hinweisen. Laut Snyder geht es bei den Alarmen nicht nur darum anzuzeigen, dass man krank ist, sondern auch darum, frühe, versteckte Anzeichen einer Krankheit zu erkennen, bevor spürbare Symptome auftreten.

Garmin Venu; Bild: Garmin

Bislang kann die App Infektionen bis zu 10 Tage bevor Symptome auftreten erkennen. Das könnte für eine Pandemie ein wirksames Instrument sein, um infizierte Personen frühzeitig in Quarantäne zu schicken. Allerdings macht Snyder darauf aufmerksam, dass die App bislang noch keinen Unterschied zwischen einer COVID-19-Infektion und einer anderen Infektion erkennen kann.

Aktuell steht die App für Fitbit-Geräte zur Verfügung, soll aber zukünftig auch für andere Wearables erhältlich sein, vorausgesetzt diese können die Herzfrequenz messen.

via: t-online.de
Bilder: s. Kennzeichnung