Smartwatches erfreuen sich auch in diesem Jahr weiterhin großer Beliebtheit. Dabei sind die Motive der Nutzer sehr unterschiedlich. Vom smarten Alltagsbegleiter über den Trainer am Handgelenk bis zum Gesundheitscoach ist alles dabei. Laut Statistischem Bundesamt nutzen inzwischen rund 21 Prozent der Bevölkerung über zehn Jahre die intelligenten Wearables – Tendenz steigend.
Immer öfter werden die Wearables zur gesundheitlichen Vorsorge genutzt. Das führt zu der Frage, wie zuverlässig die ermittelten Daten sind und ob dadurch gesundheitsgefährdende Entwicklungen erkannt werden können. Insbesondere bei kardiovaskuläre Erkrankungen könnten die Wearables einen echten Vorteil bieten, zumal immer mehr Hersteller an der Präzision der Sensoren arbeiten und bei einigen Geräten auch EKG- oder Blutdruck-Messungen möglich sind. Inzwischen sind einige Modelle sogar als Medizinprodukt zertifiziert oder die Zertifizierung wird angestrebt. „Smartwatches entwickeln sich tatsächlich zunehmend in Richtung kleiner medizinischer Diagnosegeräte“, bestätigt der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Klar ist aber auch, so Meinertz, „einen Arztbesuch können die Smartwatches nicht ersetzen, sie können ihn aber durchaus ergänzen.“

Foto: Jörg Müller – DHS/Jörg Müller
Smartwatches liefern zuverlässige Messergebnisse
Wie zuverlässig die dabei ermittelten Messwerte sind, wurde in diversen Studien an Hochschulen, bei Herstellern, von Bloggern und bei Verbraucherorganisationen wie der Stiftung Warentest (wir berichteten) untersucht. Dabei wird immer wieder eine hohe Verlässlichkeit, insbesondere der Pulsmessung, festgestellt. „Die Zuverlässigkeit der Geräte bei der Pulsmessung durch eine Smartwatch liegt bei über 90 Prozent und entspricht damit der Messgenauigkeit einer Messung mit einem Brustgurt“, erklärt Meinertz. Wichtig sei allerdings, dass sowohl Handgelenk als auch Sensor sauber seien und die Uhr ausreichend dicht an der Haut sitze, damit die Messwerte nicht ungenau würden.
Auch der Blutdruck lässt sich zuverlässig messen, vorausgesetzt die erforderliche Kalibrierung wurde richtig durchgeführt. Etwas differenzierter fällt das Bild bei EKG-Messungen aus, insbesondere dann, wenn diese zur Früherkennung kardiologischer Vorfälle genutzt werden sollen. So konnten in Studien, die mit einer Apple Watch und einem vergleichenden medizinischen EKG durchgeführt wurden, hohe Übereinstimmungen von mindestens 95 Prozent festgestellt werden. Vergleichbare Studien wurden auch mit Samsung Smartwatches durchgeführt und kamen zu ähnlichen Resultaten. Das hat auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie überzeugt, die von guten Ergebnissen sprach und die Smartwatch als geeignet ansieht, die diagnostische Lücke bei der Erkennung von Vorhofflimmern zu schließen. Allerdings, so die Kardiologen, ist die Messung mit optischen Sensoren, so wie sie in Smartwatches zum Einsatz kommen, bislang noch nicht dazu geeignet, die klassische Diagnostik und die Bewertung durch einen Arzt zu ersetzen.
Ergebnisse von einem Facharzt auswerten lassen.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus dem Jahr 2019 des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung. Dabei wurde untersucht, wie mittels Pulswellenanalyse Herzrhythmusstörungen erkannt werden können. Mit überraschend guten Ergebnissen schnitten die Smartwatches ab, auch wenn rund 20 Prozent der Daten aufgrund mangelnder Signalqualität letztendlich nicht ausgewertet werden konnten. Eine Schwachstelle von Smartwatches, die ihren Einsatz als ernsthaftes Diagnosetool stark einschränkt. Zwar räumt Prof. Meinertz ein, dass Smartwatches dazu in der Lage sind, Vorhofflimmern zu erkennen und zu dokumentieren, deren Analyse und Bewertung müsste allerdings durch einen Facharzt erfolgen. Wichtig ist zu beachten, dass die in Smartwatches üblicherweise verwendete 1-Kanal-EKG-Erfassung Durchblutungsstörungen des Herzmuskels nicht erkennen kann. „Weder die Apple Watch noch andere Smartwatches sind daher dafür geeignet, einen Herzinfarkt oder bösartige Herzrhythmusstörungen zu erkennen“, so Meinertz.
Wenige Anbieter haben Smartwatches mit EKG-Funktion im Programm
Das Angebot an Smartwatches mit weitreichenden Gesundheitsfunktionen ist noch überschaubar. Nahezu alle am Markt erhältlichen Modelle sind zwar mit einem Pulsmesser ausgestattet und in immer mehr Modellen wird zudem der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen. Beide Werte sind für die Beurteilung der sportlichen Fitness relevant und können auch während des Trainings wichtige Hinweise auf den Belastungszustand geben. Smartwatches, die mit zusätzlicher Sensorik für weitergehende gesundheitliche Aspekte, insbesondere im Hinblick auf die Herzgesundheit, sind noch selten am Markt erhältlich. Zu den Vorreitern gehören die Apple Watch ab Series 4 und Samsung mit der Galaxy Watch ab Modellreihe 3. Auch der französische Hersteller Withings hat mit der Scan Watch eine Smartwatch mit Pulsmesser und EKG-Funktion im Angebot, ebenso wie Fitbit mit der Fitbit Sense.

So überwacht die Smartwatch das Herz
Die Sensoren von Smartwatches arbeiten mit optischen Infrarotstrahlen, das ist das meist grün flackernde Licht auf der Rückseite des Gehäuses. Das dabei angewendete Verfahren, die Photoplethysmografie (PPG), misst die Menge des von der Haut reflektierten Infrarotlichts. Mit jedem Pulsschlag nimmt die Menge des Bluts in den oberen Hautschichten zu und verändert entsprechend die Reflektion. Vereinfacht sorgt mehr Blut für weniger Reflektion und umgekehrt. Aus der reflektierten Lichtmenge kann der Algorithmus eine sogenannte Pulswelle errechnen, die dann als Herzfrequenz auf dem Display ausgegeben wird.
Beim EKG kommt dagegen eine andere Technik zum Einsatz. Für das EKG werden die elektrischen Impulse gemessen, die von jedem Herzschlag ausgelöst werden. Um mit einer Smartwatch ein EKG durchzuführen, muss man den dafür notwendigen, meist 30 Sekunden dauernden Messvorgang manuell per Knopfdruck starten. Die Uhr erstellt auf diese Weise ein 1-Kanal-EKG, das Herzrhythmusstörungen zuverlässiger erkennt als bei einer reinen Pulsmessung. Voraussetzung für eine zuverlässige EKG-Messung oder einer Blutdruckmessung ist die Kalibrierung der Smartwatch. Dafür ist ein externes Blutdruckmessgerät erforderlich und die exakte Einhaltung der Vorgaben des Herstellers.
Zum Artikel der Deutschen Herzstiftung: https://nachrichten.idw-online.de/2022/03/24/wie-eine-smartwatch-herz-kreislauf-patienten-unterstuetzen-kann/
Bilder: s. Kennz.